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Zeitungsbericht für September 1812

 

GStA PK I. HA, Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 16502, Bl. 64r-69r, Anlagen Bl. 70r-74r. Referent Erdmannsdorff. Praesentatum 12. Oktober 1812.

 

 

[64r] Liegnitz den 5ten October 1812.

 

Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Verwaltungs-Bezirk der Liegnitzschen Regierung für den Monat September c.

 

 

Euer Majestät säumen wir nicht den geordneten Haupt-Zeitungs-Bericht von dem Departement unserer Administration für den Monat September c. in nachstehenden Anzeigen allerunterthänigst zu erstellen.

 

Die

 

Witterung

 

war kalt und trocken. In den Nächten vom 8ten zum 9ten und vom 24ten zum 25ten hat es auf freiem Felde gefroren. Die herrschende Richtung des Windes war den ganzen Monat hindurch aus Westen und Nord-Westen, mit Ausnahme der Tage vom 7ten bis zum 11ten, an welchen derselbe aus Osten und Südosten wehete. Den höchsten Stand hatte das Réaumursche Thermometer am 16ten Mittags, wo es 18 Grad über dem Eispunkte zeigte; sein niedrigster war den 25ten früh 2 Grad über diesem Punkte.

 

Der Ausfall der Getraide-Erndte im Gebirge entspricht den Erwartungen keinesweges in der Maaße, als der Ertrag derselben im platten Lande. Anhaltende Näße und damit verbunden gewesene [64v] ungewöhnliche Kälte haben dem Gebirgs-Producenten es unmöglich gemacht, das Getraide zur gehörigen Zeit trokken in die Scheuern zu bringen, und es ist daher ein großer Theil desselben auf dem Felde erwachsen. Auch im platten Lande hat die kalte Witterung den Gras-Wuchs sehr gehindert. Die Kartoffeln und das Grünzeug, welche fast überall vorzüglich gut gerathen sind, werden den diesjährigen Heu-Mangel bei der Vieh-Futterung ersetzen müßen. In Bestellung der Winter-Saat ist der Landmann schon ziemlich weit vorgerükt, und es wird dieses Geschäft dann zur rechten Zeit geschloßen werden können, wenn bald ein durchdringender Regen eintritt, deßen die durch häufige Winde nicht wenig ausgetrokneten, und darum theils gar nicht, theils schwer zu bearbeitenden Aekker sehr bedürfen.

 

Obwohl es dem Weinstok an Trauben nicht gebricht, so muß man doch wegen der so früh eingetretenen kalten Nächte besorgen, daß selbige nicht reif werden, wenigstens keinen Wein von vorzüglicher Güte liefern dürften.

 

Preise der Consumtibilien.

 

Welche Preise das Getraide im abgewichenen Monathe auf den Märkten der vornehmsten Städte des Departements gehabt, und wie diese Preise sich zu denen [65r] des benachbarten Auslandes verhalten, wird in der unter Lit: A beigeschloßenen balancirten Designation pflichtschuldigst nachgewiesen.

 

Die Anlage unter lit: B verzeichnet die Quantitaet des im Monat August c. ein- und ausgegangenen Getreides, und des exportirten Gemüses. Der Berliner Scheffel Kartoffeln galt 9 bis 16 gg. Münz-Courant.

 

Der

 

Cours der Münz-Sorten, Staats-Papiere und kaufmännischen Wechsel

 

zeigte sich so, wie im August-Monat, bald steigend, bald fallend. Von den Schlesischen Pfandbriefen, standen die großen 60 1/2, und die kleinen 63 proCent.

 

Nicht ohne nachtheiligen Einfluß auf den

 

Gesundheits-Zustand

 

der Menschen blieb die kalte Witterung im verflossenen Monat. Sie erzeugte katarrhalische und rheumatische Zufälle, hin und wieder auch schleichende Nervenfieber. Bei Kindern kamen die Schafpokken zum Ausbruch.

 

Unter den Hausthieren sind keine Krankheiten herrschend.

 

Unglüks-Fälle.

 

Vier Einwohner des Departements gaben sich aus Schwermuth selbst den Tod.

 

In dem Dorfe Urschkau, Steinau-Raudtenschen Creises, ertrank die Tochter des Einwohners Dohn in ei-[65v]-nem Waßer-Graben.

 

Zu Nicolstadt, im Liegnitzer Creise, bekam der Dienstknecht des Bauers Baensch von einem Pferde einen so starken Schlag, daß er am folgenden Tage seinen Geist aufgeben musste.

 

Der Sohn des Schloß-Brauers Leichtmann zu Herrnstadt fiel in die mit kochenden Waßer angefüllte Brau-Pfanne, an welcher derselbe eingeschlafen war, und verlor dadurch das Leben.

 

Auf gleiche Art verunglükte die Dienstmagd der Tuchmacher-Wittwe Paetzold zu Grünberg in einem Waschkeßel.

 

Bei dem Kretschmer Kube in Hochkirch kam zur Nachtzeit Feuer aus, welches deßen Wohngebäude und Auszügler-Wohnung vernichtete. Ueber die Art, wie dieses Unglük herbeigeführet worden, wird vielleicht der noch nicht erstattete Bericht des Kreis-Landraths Auskunft geben.

 

In Wolfsdorff, Goldberg-Haynauschen Creises, verlor der Hofe- und Dreschgärtner Reymann sein ganzes Gehöft. Durch eine bei ihm ausgebrochene Feuersbrunst, deren Entstehungs-Ursache nicht mit Zuverläßigkeit ausgemittelt werden können.

 

Das Wohnhaus des Bauers Radisch zu Nieder-Tillendorff, Loewenberg-Bunzlauschen Creises, ward durch einen Wetterstrahl in Brand gesetzt, und mit [66r] einem dabei gestandenen Schuppen-Gebäude eingeäschert.

 

Zu Merzdorff, deßelben Bezirks, ging das Gehöft des Häuslers Aust in Rauch auf. Höchstwahrscheinlich hat die Hand eines Bösewichts dieses Unglük gestiftet.

 

Zu Brechelshoff, im Jauerschen Creise, ward das Schloß-Vorwerk bis auf das herrschaftliche Wohnhaus und zwei andere Gebäude durch ein im Gaststall entstandenes Feuer zerstört. Zugleich wurden alle Getraide-Vorräthe des Dominii ein Raub der Flammen. Ueber den Ursprung dieses Brandes erwarten wir noch den Bericht des Landraths.

 

Zu Zelling, im Freystaedtschen Creise, ist durch Einschlagen des Blitzes das Schloß-Vorwerk mit Ausnahme des Wohnhauses in Asche gelegt worden. Dieses Unglük ist für den Besitzer, den Obristen v. Dobschütz, um so empfindlicher, als derselbe von der ganzen diesjährigen Erndte so wenig, als von dem Wirthschafts-Geräthe etwas zu retten vermocht hat.

 

Am 31ten August c. erschlug ein junger Mensch zu Neusalz, Nahmens Runge, angeblich in einem Anfall von Wahnsinn seine Mutter mit einer Hand-Axt auf eine gräßliche Weise. Derselbe entsprang gleich nach dieser That, wurde aber bald ergriffen, und an das Inquisitoriat in Grünberg abgeliefert.

 

Wegen der seit Kurzem besonders in dem Hirschbergschen Kreise statt gefundenen nächtlichen Einbruche [66v] haben wir von dem Gouvernement zu Breslau ein Commando von 1 Officier und 20 Mann Gensd'armes erbeten, und es ist selbiges bereits in jenen Bezirk gelegt.

 

Für die Rubrik:

 

Aufhören oder Entstehen bedeutender Polizei-Institute,

 

rechnen wir hieher die Bade-Anstalt, welche der General-Pächter des Domainen-Amts Liegnitz, Amtsrath Materne auf einem Platz in der Nähe der Stadt, in einem mit Geschmak erbauten Hause dergestalt eingerichtet hat, daß solche neben 13 mit Wannen versehenen meublirten Cabinetten zum Baden, zugleich einen Versammlungs-Saal für das badende Publicum und mehrere Zimmer enthält.

 

Industrie.

 

Zu Sprottau ist von dem Creis-Steuer-Einnehmer Baron von der Goes eine Anstalt etablirt worden, in welcher aus Kartoffeln Zukker verfertigt wird. Ueber den Werth dieser Anstalt wird erst in der Folge sich ein zuverläßiges Urtheil fällen laßen. Mit der Syrup-Fabrication aus Kartoffeln beschäftigen sich auch der Apotheker Mathesius hieselbst und der Apotheker Wolff zu Bunzlau.

 

Communal-Wesen.

 

In dem Militsch-Trachenbergschen Creise hat man im laufenden Jahre eine bedeutende Anzahl gemauerter Brücken statt der hölzernen ausgeführt. Auch ist [67r] die Straße von Prausnitz nach Breslau mit schönen Bäumen bepflanzt worden.

 

Am 28ten August c. wurde die Bürger-Commune zu Prausnitz um 34 Mitglieder vermehrt, indem an gedachtem Tage nicht nur 7 Christen, sondern auch 27 Juden daselbst das Bürgerrecht gewannen. Die dasige Juden-Gemeinde hatte sich zu diesem Zwek in ihrem Bethsaal versammelt, von wo aus selbige in feierlichem Zuge unter Vorausgehung von Music und achtzehn weißgekleideten Mädchen in Begleitung der Schützen-Gilde sich auf das Rathhaus begab, vor welchem sie von den Stadt-Verordneten empfangen wurde. Hier ward eine der Sache angemeßene Rede gehalten, Euer Majestät Allerhöchstes Edict wegen der bürgerlichen Verhältniße der Juden verlesen, und den jüdischen Bürger-Rechts-Bewerbern der Bürgereid abgenommen, dann aber nach geendigter Schluß-Rede Euer Majestät unter Trompeten- und Pauken-Schall ein dreimaliges Vivat ehrerbietigst gerufen, worauf die Juden-Gemeinde von dem Rathhause im Zuge wiederum zurükging. Den

 

Zustand der hiesigen Regierungs-Haupt-Casse

 

im Monat August c. wollen Euer Majestät aus der unter dem Buchstaben C beigefügten Designation allergnädigst zu entnehmen geruhen.

 

[67v] Unter der Rubrik von

 

Grenz-Sachen

 

sind uns keine Nachrichten zugekommen, welche für Allerhöchstdieselben Intereße haben könnten.

 

Militaria.

 

Die Garnison der Vestung Glogau ist gegenwärtig 2374 Mann stark. Die gemeinen Soldaten und Unterofficiers sind zwar casernirt, und werden durch einen Entreprenneur verpflegt. Die Officiers sind dagegen bei den Bürgern einquartiert, und haben sich bis zum Anfange des vorigen Monats gegen den Genuß von Tafel-Geldern aus öffentlichen Fonds selbst beköstigen müßen. Jetzt aber ist von der General-Commission für das Verpflegungs-[,] Einquartierungs- und March-Wesen erklärt worden, daß der Tafel-Gelder-Zuschuß für jene Officiers aus Staats-Cassen nicht weiter statt finden könne, daher letztere nunmehr von der Bürgerschaft Beköstigung verlangen, welches derselben zu nicht geringem Druk gereicht.

 

Handels-Gegenstände.

 

Das Tuch-Commercium befindet sich zwar fortwährend in einer mittelmäßigen Verfaßung. Inzwischen stokt daßelbe doch keinesweges so, wie die auswärtige Leinwand-Handlung, indem auch im letzt abgewi-[68r]-chenen der Tücher-Debit nach Pohlen ziemlich stark gewesen ist. Die Tuch-Fabrique des Kaufmanns und Rathsherrn Ruffer hierselbst erhebt sich zu immer größerer Vollkommenheit, und es wird in selbiger schon auf 10 Wirkstühlen mit Schnell-Schützen gearbeitet. In dem vorigen Monat hat sie 20 Tücher à 50 rlllr. im Werth gefertigt, dagegen 16 theils feine, theils mittlere Tücher im Werth von 3850 r. nach innländischen Oertern, und 2 Stük ganz feine Tücher à 70 r. nach Pohlen verkauft.

 

Bei den Zoll-Aemtern unseres Departements wurden im Monat August c. 2178 Stük Schaafe, also 1497 Stük mehr, als im Monath July c. aber keine Wolle zur Ausfuhr angesagt.

 

Ein Schreiben, welches dem Handelsstande in Hirschberg aus Hamburg zugekommen, meldet, daß daselbst der Leinwandhandel immer mehr in Verfall gerathe. Die Schuld hieran wird den Dänischen Verbots-Verordnungen beigemeßen, und man fürchtet, daß von dem Gouvernement Dänemarks die Einfuhr fremder Leinen niemals wieder gestattet werden dürfte. Die Schlesischen Leinwand-Kaufleute haben also leider! keine Hoffnung zum Absatz ihrer in Hamburg liegenden Waaren-Vorräthe.

 

Aus der unter Lit: D beigelegten Nachweisung [68v] wollen Euer Majestät die Quantitaet der in dem Monat September c. bei den Zoll-Aemtern in Hirschberg, Schmiedeberg, Greiffenberg und Warmbrunn zur Exportation declarirten Leinen-Waaren zu ersehen geruhen.

 

Ausser dem erfolgten Ableben des Stadt- und Justitz-Bürgermeister Grabs in Greiffenberg, welcher um diese Stadt sich sehr verdient gemacht, haben sich keine

 

Veränderungen bei öffentlichen Behörden

 

in dem hiesigen Regierungs-Departement im letztverfloßenen Monat ereignet.

 

Haupt-Gegenstände unserer kollegialischen Beschäftigung in eben gedachten Monat

 

waren:

 

Verhandlungen zu Vollendung der Organisation von Bürger-Garden in mehrern Städten des Departements,

 

die extraordinaire Revision mehrerer Creis-Kaßen, damit uns von der Richtigkeit der Rechnungs-Führung bei selbigen Ueberzeugung verschafft würde,

 

das Fortschreiten in Bearbeitung der Angelegenheiten, welche auf die Vermögens- und Einkommen-Steuer Bezug haben.

 

Ausser diesen Objecten sind Vorwurf unserer [69r] Beschäftigung diejenigen Gegenstände gewesen, welche die allerunterthänigst beigeschloßenen Nummern 36 bis 40 des zweiten Jahrgangs unseres Amts-Blatts enthalten.

 

Unter der Rubrik

 

dringende Reformen und Verbesserungen in der Administration

 

haben wir zur Zeit nichts vorzuschlagen.

 

 

Die Schlesische Regierung zu Liegnitz.

 

[gez.]